Die Reformation – ein Bildungsgeschehen?

Fachtagung der Katholischen Erwachsenenbildung wirft Blick auf die Bedeutung der Reformation für das christliche Bildungsideal gestern und heute.

Magdeburg, 29. Oktober 2016.
Über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft und Praxis der katholischen Erwachsenenbildung beschäftigten sich in der zweitägigen Fachtagung mit dem historischen Zusammenhang zwischen der Reformation und dem neuzeitlichen Bildungsideal und Bildungswesen. Prof. Johanna Rahner, Tübingen, Prof. Günter Frank, Bretten und Prof. Jörg Splett, Offenbach gingen mit den Teilnehmenden dem reformatorischen Zugang zum Verhältnis von Glaube, Vernunft und Bildung und dessen Bestimmung in der gemeinsamen – auch vorreformatorischen, katholischen – kirchlichen Tradition nach und zogen bildungspolitische Konsequenzen für den ge-meinsamen Einsatz der Kirchen für das christliche Bildungsideal heute. Die Veranstaltung war ein Beitrag der Katholischen Erwachsenbildung für das Reformationsgedenken 2017.

Veranstaltet wurde die Fachtagung von der Kommission „Theologie und Bildung“ der KEB Deutschland in Kooperation mit der Europäischen Melanchthon-Akademie, Bretten, dem Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik sowie der Katholische Akademie des Bistums Magdeburg und der KEB im Land Sachsen-Anhalt im Rahmen des Projektes „2017: Neu hinsehen! Ein katholischer Blick auf Luther“. Das Projekt wird von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Kultusministerium Sachsen-Anhalt und dem Bistum Magdeburg gefördert.

Die Reformation wird kultur- und denkgeschichtlich gewöhnlich in engen Zusammenhang gebracht mit den Emanzipierungsbewegungen der entstehenden Neuzeit, mit der Aufklärung und dem Geist der Moderne, ja sie wird selbst ausdrücklich als „Bildungsgeschehen“ bezeichnet. Tatsächlich sind nicht nur von Luthers Bibelübersetzung, sondern besonders auch von Philipp Melanchthon entscheidende Impulse ausgegangen für eine allgemeine Alphabetisierung und für die Entwicklung des christlichen, auf die umfassende Entfaltung jedes einzelnen Menschen zielenden Bildungsideals. In Luthers Schriften finden sich ebenfalls Passagen, die einen breiteren allgemeinbildenden Bildungsbegriff beschreiben, allerdings lassen sich daraus noch nicht systematische Konzepte einer veränderten Ordnung ableiten. Nach dem Niedergang der Klöster in der Reformation fehlten vielerorts in den deutschen Staaten die grundlegenden Bildungseinrichtungen, die Krise wirkte sich sogar bis auf die Universitäten aus. Um das Bildungswesen wieder bzw. neu aufzubauen, argumentierte Luther mit der Notwendigkeit von Bildungsinstitutionen, um die Menschen für ein funktionierendes Staatswesen zu ertüchtigen, Ziel waren insbesondere „gute Beamte“ sowie gebildete kirchliche Amtsträger. Eine seiner herausragenden Leistungen ist es aber, dass er die Person als Subjekt in den Mittelpunkt seiner Theologie und Bildung setzte. Hintergrund bildete seine Auffassung, dass jeder einzelne vor Gott Rechenschaft ablegen muss. Der Mensch als Subjekt ist heute ein zentraler Aspekt des Bildungshandelns in Kirche und Gesellschaft.

Prof. Rahner machte in ihrem Vortrag deutlich, dass die der katholischen Kirche zugeschriebene Bildungsferne eine Entwicklung des 19. Jhd. und keine der Reformation war. Der Antimodernismus der katholischen Kirche entwickelte sich als Abgrenzungsbewegung zum Gegner, „dem preußischen pro-testantischen Staat“, Anlass waren die „Kölner Wirren“ im Jahr 1837. Davon hat sich die katholische Kirche erst in Ansätzen mit dem 2. Vatikanischen Konzil erholt. In Teilen hängt ihr diese Sicht bis heute nach, auch weil einige ihrer Protagonisten sie immer wieder dann verstärken, wenn sie dualistisch von „Kirche und Welt“ oder „die Kirche soll nicht den weltlichen Entwicklungen nachlaufen“ sprechen.

Bischof Dr. Gerhard Feige machte in seinem Grußwort an die Teilnehmer und Teilnehmerinnen deutlich, dass im Reformationsgedenken beide Konfessionen Christus in den Mittelpunkt stellen wollen. Der gemeinsame Auftrag ist es, der Welt von Christus zu erzählen bzw. Zeugin und Zeuge seiner Botschaft in der Welt zu sein. Dies muss sich auch in der Bildungsarbeit beider Konfessionen verdeutlichen.

Ludger Nagel, Geschäftsführer der KEB-Sachsen-Anhalt: „Als örtlicher Veranstalter freuen wir uns, dass am Vorabend des 499. Reformationstages mit so großer bundesweiter Resonanz engagiert über Bildungsthemen im ökumenischen Horizont diskutiert wurde“. Die KEB Bundesvorsitzende Elisabeth Vanderheiden resümiert: „Die Tagung hat die unterschiedlichen Traditionen im Bildungsverständnis verdeutlicht, aber auch die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Diese inspirieren uns im Bildungs-kontext unsere ökumenische Zusammenarbeit noch weiter auszubauen.“

Die Katholische Erwachsenenbildung Deutschland – Bundesarbeitsgemeinschaft e.V. (KEB) ist der Zusammenschluss von katholischen Trägern der Erwachsenenbildung mit derzeit 57 Mitgliedern und rund 660 Einrichtungen.

Die Die Katholische Erwachsenenbildung im Land Sachsen-Anhalt e.V. (KEB) ist ein vom Bischof anerkannter Träger der Erwachsenenbildung im Bistum Magdeburg und eine nach dem Erwachsenenbildungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt anerkannte Einrichtung der Erwachsenenbildung.

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